02 Stadtentwicklung, Oberflächenbebauung und Bergschäden seit der Förderaufnahme
Die Entwicklung der Ortschaften Oer, Erkenschwick und Rapen zur Stadt Oer-Erkenschwick beginnt mit dem Abteufen des Schachtes Ewald-Fortsetzung 1. Bis zur Förderaufnahme 1904 hat sich die Einwohnerzahl der noch zur Stadt Recklinghausen gehörenden Ortschaft Erkenschwick auf 1.772 bereits mehr als vervierfacht, im wesentlichen bedingt durch die von der Zeche errichteten Wohnheime für Bergleute. Das stetige Wachsen des Bergwerks, das erst um das Jahr 1930 seinen Abschluß findet, spiegelt sich wieder im Anstieg der Einwohnerzahlen der 1926 gegründeten Gemeinde Oer-Erkenschwick. die 1930 schon 16.439 Personen erreicht. Die neuen Bürger der Stadt stammen überwiegend aus den ehemaligen preußischen Ostprovinzen und den südslawischen Gebieten der k.u.k. Monarchie. Sie kommen in der Erwartung, hier eine gesicherte und lohnende Arbeit zu finden, und lassen in der Regel ihre Familien nachfolgen, wenn eine Wohnung in Aussicht ist. Die Wohnungen für die rd. 14.000 zugezogenen Menschen baut die Zeche Ewald-Fortsetzung weitgehend selbst, möglichst nahe der Schachtanlage, um Anmarschwege kurz zu halten und Bergschäden selbst regulieren zu können. Das reichlich zur Verfügung stehende Bauland erlaubt vorbildlich aufgelockerte Bauweise mit eineinhalb- bzw. zweigeschossigen Häusern, getrennten Eingängen und in der Regel auch Gartenland und Stallungen.
Im Zuge der Errichtung der Bergwerksanlage baut die Zeche die auch heute noch die Infrastruktur der Stadt bestimmenden Hauptverbindungsstraßen Erkenschwick-Rapen, Klein-Erkenschwick - Groß-Erkenschwick - Provinzialstraße sowie die Verbindungsstraßen Klein-Erkenschwick - Rapen, Rapen - Datteln, Groß-Erkenschwick - Oer und Klein-Erkenschwick - Oer. Das Bergwerk selbst liegt im Zentrum der entstehenden Siedlungen, deren Straßennetz ebenfalls von der Zeche angelegt und unterhalten wird. Im Jahre 1938 besitzt die Zeche einschließlich "Beamtenhäuser" insgesamt 1.244 Wohnungseinheiten in den Ortsteilen Groß-Erkenschwick, Klein-Erkenschwick und Rapen, die fast alle bis 1930 gebaut sind und auch heute noch den Großteil der Wohnbebauung bilden. Bis 1930 ist die Zeche voll entwickelt. Trotz einer Bauzeit von über zwanzig Jahren sind die mit Backsteinklinkern erstellten Gebäude einheitlich im Stil der späten Gründerjahre gehalten.
1909 wird eine Straßenlinie nach Recklinghausen, 1913 eine weitere nach Datteln eröffnet. Diese ermöglichen den Beschäftigten einen günstigen Arbeitsweg bis in die 60er Jahre.
Als Folge der Stillegung 1931 nimmt die Bevölkerung wieder ab - 1931 um rd. 400, bis 1938 um rd. 600 Menschen. Erst mit der Wiederaufnahme des Abbaus 1938 tritt eine Erholung ein, 1945 hat die Gemeinde schon 17.848 Bewohner. Bis 1955 steigen Belegschaft (5.500) und Bevölkerung (21.670) noch einmal kräftig an. Durch Beendigung des Abbaus im Ostfeld Anfang 1969 gehen 500 Arbeitsplätze verloren. Seither wird die Bebauung kaum noch durch den Bergbau bestimmt. Während die insgesamt vom Bergbau mit Nebentrieben angebotenen Arbeitsplätze bis 1978 um 50 % auf 2500 abnehmen, wächst die Stadtbevölkerung weiter. 1978 zählt die Stadt bereits 4.000 Beschäftigte, die nicht mehr im Bergbau tätig sind. Die Stadtentwicklung löst sich von der rückläufigen Belegschaftsentwicklung, die sich aus weiterer Rationalisierung ergibt, und entfaltet ihre eigene Dynamik.
Vom Bergwerk Ewald-Fortsetzung werden zwischen 1903 und 1978 in 68 Förderjahren rund 59 Millionen Tonnen Kohlen gehoben. Über die Zeitabschnitte gewogen ergibt sich eine mittlere Feldesgröße von rd. 16,2 qkm und eine Ausbeute von rd. 3,6 t Kohlen je qm Grubenfeld. Allgemein rechnet man im Ruhrbergbau mit etwa 10 Tonnen Kohlenvorrat je qm Grubenfeld. Bis zur 800-m-Sohle werden überwiegend Gaskohlen, unter dieser Sohle überwiegend gut verkokbare Fettkohlen abgebaut.
Aus der Abbautätigkeit ergeben sich Bergschäden an Gebäuden, Versorgungseinrichtungen und Landwirtschaft, die jedoch lange nicht das Ausmaß anderer Städte annehmen. Bis 1950 wird überwiegend Versatz eingebracht, der Bergschäden niedrig hält. Über Schwerpunkte des Abbaus in flacher Lagerung entstehen dennoch Gesamtabsenkungen um 7m, in Stadtteilen, die aber erst relativ spät besiedelt werden.
Spitzenwerte im Ruhrgebiet liegen bei 20m Absenkung innerhalb von 10 Jahren.
Nur die schon vor 1930 im Bereich Stimbergstraße, Kiesenfeldweg, Westerbachstraße, Horneburger Straße, Voßacker und Lindenstraße erbauten Häuser geraten mehrfach unter Einwirkungen des Abbaus aus der flachen Lagerung. Lediglich an vor 1940 gebauten Häusern in Reihenbauweise mit Tordurchfahrten ohne Trennfugen entstehen starke Schäden; drei Häuser an der Horneburger Straße werden abgebrochen. Die Bebauung mit Wohnsiedlungen und Industrieanlagen im Süden Erkenschwicks setzt erst nach 1967 ein und ist vom Abbau nicht mehr sonderlich betroffen. Die Stadt nutzt für ihre Siedlungspolitik die Prognosedaten des Bergwerks.
Zonen der steilen oder halbsteilen Lagerung zeigen deutlich weniger Schäden, weil hier geringe Frontlänge und langsamer Abbau vorherrschen, soweit sie nicht wegen Kleintektonischer Störungen unbauwürdig sind. Nennenswerte Bergschäden treten nicht auf. Einen Sonderfall bildet eine Zone entlang des Bickefelder / Dattelner Sprungs, einer großen Verwerfung im Karbon, an der einseitig besonders intensiv Abbau betrieben wird. Beispiel ist die Clemens-Höppe-Schule im Ortsteil Rapen, an der sich Zerrungen aus den Abbau von fünf Flözen auswirken. Erst Baumaßnahmen, die weit über das allgemein geforderte Maß hinausgehen, bewirken, daß weitere Schäden nicht mehr auftreten.
Bergschäden an Versorgungsleitungen und an den Vorflutern sind insgesamt unbedeutend. Erforderlich werden geringfügige Regulierungen, Vertiefungen bis 3,7m und Verschwenkungen bis 30m.
Landwirtschaftliche Schäden entstehen durch stauende Vernässungen im Bereich der Hauptsenkungen. Daß die Schäden nur gering sind, liegt an dem relativ großen Abstand zum Grundwasserspiegel von rd. 5m, an der guten Bodendurchlässigkeit und an dem rechtzeitigen Dränieren auf Veranlassung des Bergwerks.
Wo in einzelnen Fällen durch Bergbautätigkeit meist 10m tief angelegte Brunnen in landwirtschaftlich genutzten Bereichen trocken gelegt werden, veranlaßt das Bergwerk den Anschluß an das Leitungsnetz des Versorgungsträgers. Da dieser erheblich bessere Wasserqualität liefert, kann man sich in der Regel schnell einigen.
Insgesamt liegen die Gründe für die vergleichsweise niedrigen Bergschäden in dem geringen Kohlenvorrat, dem mit 600m schon mächtigen Deckgebirge, dem relativ großen Grubenfeld und der die Abbauschwerpunkte vermeidenden Bebauung.
Bis 1930 hat der Bergbau entscheidend zur Veränderung der Landschaft durch die Ausweitung von Siedlungs- und Industrieflächen beigetragen. Die Stadt muß in rund zwanzig Jahren der Bergbaustagnation rund 2.500 Arbeitsplätze ersetzen. Die Ansiedlung von vollwertiger Ersatzindustrie bestimmt seit 1965 den Gang der Oberflächenbebauung in Oer-Erkenschwick.
Tagesförd.
t/d Jahresförd.
t/a Leistung
t/MS Gesamt-belegschaft
EF EF EF Ruhr EF
1903 160 11482 114
1904 180 53078 0,320 582
1905 122 36507 0,400 296
1906 664 141619 668
1907 929 278579 0,850 0,850 1021
1908 1250 365019 0,820 0,820 1501
1909 1107 312400 0,780 0,830 1418
1910 1211 354965 0,800 0,850 1445
1911 1511 448804 0,830 0,870 1714
1912 1798 543222 0,810 0,880 2087
1913 2267 677905 0,850 0,890 2389
1914 1980 586070 0,750 0,840 2465
1915 1432 431153 0,740 0,860 1786
1916 1611 483342 0,710 0,790 1861
1917 1664 499313 0,660 0,760 2017
1918 1698 513042 0,660 0,750 2105
1919 1449 395797 0,480 0,620 2849
1920 1594 465696 0,420 0,630 3348
1921 1639 493208 0,430 0,630 3822
1922 1857 557270 0,460 0,630 3921
1923 663 195697 0,200 0,300 3807
1924 2310 637544 0,670 0,860 3392
1925 2393 720309 0,710 0,950 3620
1926 3019 901038 0,850 1,110 3750
1927 3266 978254 0,900 1,130 4015
1928 3497 1040064 0,960 1,190 3958
1929 3953 1166314 1,020 1,270 4187
Tagesförd.
t/d Jahresförd.
t/a Leistung
t/MS Gesamt-belegschaft
EF EF EF Ruhr EF
1930 3504 926748 1,100 1,350 3345
1931 2829 384716 1,070 1,490 1371
1932 1,630
1938 3250 454764 1,730 1,970 2767
1939 3434 1040444 1,860 2,064 2988
1940 3817 1174690 1,961 2,013 3222
1941 4190 1315582 1,092 1,959 3202
1942 3985 1287110 1,906 1,848 3164
1943 4431 1435814 1,789 1,656 4473
1944 4470 1425947 1,733 1,585 4875
1945 838 255159 1,168 1,200 3042
1946 2018 607362 1,324 1,208 3450
1947 2486 753224 1,336 1,215 4242
1948 3067 914051 1,331 1,286 4558
1949 3669 1118949 1,437 1,383 4924
1950 4065 1239780 1,450 1,425 5474
1951 4065 1236708 1,386 1,482 5367
1952 4018 1217433 1,370 1,503 5499
1953 4188 1268326 1,439 1,486 5566
1954 4169 1263000 1,443 1,523 5453
1955 4275 1295000 1,512 1,572 5424
1956 4445 1334000 1,551 1,591 5529
1957 4417 1281000 1,591 1,614 5534
1958 4184 1185000 1,566 1,675 5227
1959 4468 1117000 1,660 1,887 4788
1960 4552 1185000 1,852 2,102 4737
1961 5067 1312000 2,068 2,246 4688
1962 4989 1302000 2,158 2,417 4496
1963 5156 1346000 2,328 2,575 4462
1964 5308 1380000 2,440 2,681 3861
1965 5307 1375000 2,405 2,766 3897
1966 5327 1358000 2,497 3,006 3509
1967 5199 1190000 2,695 3,366 3223
1968 4730 1182000 2,454 3,501 2992
1969 4538 1134000 3,542 3,781 2469
Tagesförd.
t/d Jahresförderung
Mio t/a Leistung
tv.F./MS Gesamt-
belegschaft
EF/HA EF/HA BRD EF/HA RAG EF/HA BRD
1970 4927 1,237 111,3 4,429 3,846 1994 252700
1971 5238 1,320 110,8 4,567 3,907 1997 244400
1972 5171 1,527 102,5 4,458 4,094 2044 220600
1973 4558 1,140 97,3 4,027 4,143 2050 204500
1974 5931 1,477 94,9 4,992 4,023 2169 204900
1975 5822 1,439 92,4 4,616 3,866 2090 202300
1976 5027 1,252 89,3 4,124 3,921 2079 196400
1977 4455 1,074 84,5 3,803 3,895 2046 192000
1978 4563 1,086 83,5 3,786 3,971 2114 183300
1979 5442 1,350 85,8 4,144 4,054 2165 182300
1980 5324 1,326 86,6 3,785 3,982 2228 186800
1981 5476 1,363 87,9 3,899 3,912 2238 188000
1982 5366 1,342 88,4 3,853 3,975 2219 185100
1983 5588 1,308 81,7 3,984 4,025 2196 178800
1984 5837 1,331 78,9 4,326 4,268 2174 169200
1985 5695 1,372 81,8 4,240 4,403 2217 166200
1986 5892 1,426 80,3 4,461 4,537 2267 164100
1987 6495 1,487 75,8 4,736 4,585 2352 156500
1988 6124 1,408 72,9 4,461 4,663 2334 147800
1989 6612 1,561 71,0 4,889 4,763 2358 138900
1990 6341 1,566 69,8 4,638 4,946 2142 130300
1991 6385 1,520 66,1 4,617 5,002 2159 122900
Primärenergieverbrauch
Insgesamt davon Steinkohle
Mio. t SKE
1970 336,8 96,8
1971 339,4 90,3
1972 354,3 83,4
1973 378,5 84,2
1974 365,9 82,7
1975 347,7 66,5
1976 370,3 70,7
1977 372,3 67,0
1978 389,0 69,2
1979 408,2 75,8
1980 390,2 77,1
1981 374,1 78,2
1982 361,5 76,7
1983 364,7 77,7
1984 376,1 79,3
1985 385,0 79,4
1986 386,9 77,7
1987 388,0 75,5
1988 389,8 74,7
1989 382,8 73,3
1990 392,2 74,0
1991 409,5 76,0
Rohöl Erdgas Inländische
Industriekohle Schweres
Heizöl Rohöl $-Kurs
DM/t SKE * DM/t SKE DM/t SKE DM/t SKE $/bbl ** DM/US $
1970 41 72 57 2,09 3,92
1971 53 80 76 3,02 3,48
1972 50 85 61 3,08 3,19
1973 57 89 65 3,83 2,66
1974 154 110 135 11,8 2,59
1975 153 140 132 133 12,37 2,46
1976 168 154 149 147 13,21 2,52
1977 168 162 149 151 14,35 2,32
1978 145 167 164 138 14,32 2,01
1979 192 172 170 181 20,72 1,83
1980 313 221 195 245 34,18 1,82
1981 426 286 221 339 37,37 2,26
1982 424 390 237 319 34,58 2,43
1983 398 373 245 321 30,86 2,56
1984 428 399 254 385 29,77 2,85
1985 426 422 255 367 28,86 2,94
1986 177 331 255 161 16,03 2,17
1987 172 213 258 155 19,02 1,80
1988 142 193 262 120 15,97 1,76
1989 177 210 267 154 18,65 1,88
1990 192 235 270 154 23,50 1,62
1991 174 248 272 146 20,71 1,66
* Quelle: Statistisches Bundesamt
** Umrechnungsfaktor: t>bbl: 7,33 bbl/t
Importpreise frei Grenze Bundesrepublik, Quelle: Statistisches Bundesamt
Preise für industrielle Verbraucher
Quelle: Gesamtverband des Gesamtdeutschen Steinkohlebergbaus
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