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7-2 Wiederaufbau der Zeche




Das Leben bleibt zunächst arm wie im Krieg; wenig Nahrung, abgetragene, unzureichende Kleidung, beschädigter und enger Wohnraum. Unter diesen ungünstigen Bedingungen werden nach Beseitigung der größten Kriegsschäden auf der Zeche schon ab Juni 1945 wieder Kohlen gefördert. Es kann nur besser werden, das gibt Auftrieb. In der Grube gilt nach der Achteinhalbstunden Schicht wieder die Achtstunden Schicht. Die Löhne werden entsprechend erhöht. Über Tage sind es neun Stunden.

Die Zeche fördert 1945 rd. 156.000 Tonnen Kohlen mit 1,17 Tonnen Untertageleistung. Die Gesamtbelegschaft ist mit rd. 3.200 Mann zwei Drittel so stark wie 1944. In der Grube sind rd. 2.000 Mann statt 3.200 im Jahre 1944. Der Hauerdurchschnittslohn beträgt 9,50 Mark je Schicht.

Die Militärregierung Bergleuten bis Mitte 1946 rund 3000 Kilokalorien Nahrungswert.

Die Notverpflegung für unvorhergesehene Überarbeit in besonders begründeten Ausnahmefällen wird durch Oberbergamtsverfügung geregelt: ein belegtes Brot besteht aus 100g Brot, 10g Butter und 20g Wurst; hiervon gibt es nach je zwei Stunden Überarbeit ein Brot, höchstens jedoch drei Brote. Mit einer Milchzulage für dauernd an verzinktem Blech oder in engen Räumen tätige Schweißer und für Fahrer und Schlosser von Diesellokomotiven erklärt sich das Bergamt einverstanden, verlangt aber gewissenhaft zu prüfen, oh denn dauernd 12 Mann derart schweißen müssen und ob nicht die Lokomotiven inzwischen in Ordnung seien; diese Regelung hat bis zum heutigen Tage Bestand: noch heute erhalten Dieselschlosser täglich einen halben Liter Milch.

Betriebsratsvorsitzende der Zeche werden Erich Zimmer und später Max Tollkamp.

Angestellte, die der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei angehörten, müssen sich "Entnazifizierungsausschüssen" stellen, deren deutsche Mitglieder sich als "unbescholtene Demokraten" das Vertrauen der Militärregierung erworben haben. Die Ausschüsse überprüfen und unterscheiden in Hauptschuldige, belastete -Mitläufer" und entlastete Nationalsozialisten, die entsprechend gestaffelt, mit Haft oder Berufsverbot unterschiedlicher Dauer oder gar nicht bestraft werden.

Die Militärregierung enthebt Bergwerksdirektor Dr. Adolf Wiese der die Zeche seit dem 4. März 1945 leitet, seines Amtes und unterstellt die Zeche im Mai 1946 dem Bergwerksdirektor Heinz Merkel von der Zeche Recklinghausen.

Weiter werden etwa 25 Angestellte fristlos entlassen; da diese oft gute Fach- und Führungskräfte sind, wirkt sich das teils nachteilig auf den Betriebsablauf aus.

Im Juli 1946 ordnet die Militärregierung der Zeche den Bergassessor a.D. Rudolf Wawersik als Betriebsinspektor zu, der aus englischer Kriegsgefangenschaft kann und vorher im Saarkohlenbergbau und dann im Oberschlesischen Steinkohlenbergbau tätig war.

BILD 110 Dr. Adolf Wiese

Es herrscht ungeheurer Lebensmittel- und Materialmangel. Allein das Warentauschgeschäft blüht; auch Kohle ist zur Ersatzwährung geworden. Wawersik berichtet, er habe mit dem Betriebsrat auf einem holzgasgetriebenen Lastwagen Kartoffeln über die noch zerstörte Autobahn nach Deutz gefahren, um Einspritzdüsen zu erhalten und ein Blindschachtfördergefäß in Duisburg nur gegen “schwarze” Kohlen bekommen.

Um das Schmieren zu verbilligen, soll Altöl in der Nebengewinnungsanlage König Ludwig wieder aufbereitet worden sein.

Das Bergamt fordert über Uhren und Brillenmangel bei Aufsichtspersonen, Schießberechtigten, Wettermännern und Eisenbahnpersonal telephonisch Auskunft, um gegebenenfalls Abhilfe einzuleiten, damit diese Personen ihren Aufgaben voll gerecht werden können.

Ferner erwartet es Bericht, wann zugeteilte Wasserleitungsrohre angeliefert, wieviel Rohre eingegangen, und wo sie verblieben sind und legt die Verwendung der Rohre ausschließlich auf Wasserleitungen fest. Die Versorgungszentrale in Essen sperrt die Eisenmenge für drei Monate; der Vorstand weist die Zechen an, sparsam zu wirtschaften und vor Ausschreiben von Aufträgen Abdeckung zu klären und festzustellen, ob “Villa Hügel" die Beschaffung genehmigt habe.

Unter solch widrigen Umständen laufen die ersten Mechanisierungsversuche in den Streben. Es werden 1946 in der Abteilung 4 West-Süd ein Schrämbetrieb eingerichtet und in der Abteilung 5 Ost-Süd im Streb Dickebank 3 Osten der Einsatz eines Doppelkettenkratzerförderers versucht. Der Streb Wasserfall 1 Osten der gleichen Abteilung unter Reviersteiger Bierbaum ist mit einer Auslegerschrämmaschine, Auslegerlänge 1,80m, ausgerüstet.

BILD 111 Ansicht der Auslegerschrämmaschine

Die Bergbaulöhne werden im Oktober 1946 um 20% erhöht und die Militärregierung steigert die Nahrungszuteilung für Bergleute auf 6.000 kcal Nährwert je Tag.

Man erwägt 1946 den Bau einer rd. 5km langen Hafenanschlußbahn von Rapen zum Lippe-Seiten-Kanal bei Hof Luthe. Die Bergwerksgesellschaft Hibernia weist in diesem Bereich nordwestlich des Dattelner Berges weniger als 3km von den Rapener Schächten entfernt, eine künftige Zechenfläche von 7,5 Hektar mit Bahnanschluß aus.

Bei einem Strebbruch verunglücken fünf Bergleute tödlich. Das über zwei Meter mächtige Flöz Gretchen-Anna wird aufgehauen; es trägt über viele Jahre die Grundlast der Zeche.

Im Jahre 1946 werden bei 300 Fördertagen rd. 607.000 Tonnen Kohlen mit 1,32 Tonnen Kohlen je Mann und Schicht Grubenleistung gehoben.

Das Stickstoffwerk nimmt die Erzeugung von synthetischem Ammoniak wieder auf und erzeugt 1946 etwa 8.000 Tonnen Stickstoff.

Die untertänige Führungsmannschaft der Zeche unter Betriebsinspektor Lux und Betriebsführer Mette ist fast die gleiche wie vor 1945. Es erscheinen zusätzlich die Namen Naroska, Gloddek, Lenhart, Still, Wiegel, Bierbaum, Kompolscheck, Walkowiak, Kohlschein, Zweiböhmer, Jausnen, Kühlhorn, Puls, Voller, Barnekow, Wember, Kohring u.a. Obersteiger In der Wiesche wird Grubenwehroberführer nach Fahrsteiger Behrenbeck. Bergamtsleiter ist Erster Bergrat Witsch, sein Mitarbeiter ist Bergrat Golzen.

Im Jahre 1947 geht der Abbau um in den Flözen Zollverein 4, Haupt-Süden, Zollverein 5, 3 West-Nord, Gretchen-Anna, 4 West-Süd, Wilhelm und Wasserfall,6 Ost-Süd, und Dickebank, 5 Ost-Süd.

Als Strebausbau im Flachen sind teilweise Reibungsstempel und Kappschienen vorhanden; allmählich gibt es auch “Haarmannsche Stahlgelenkkappen", d.h. Kuppelkappen, die den stempelfreien Abbaustoß gestatten, die bis heute weitesttragende Neuerung für Strebausbau.

Im Jahre 1947 steigt die Gesamtbelegschaft um rd. 500 auf fast 4.000 Mann. Der Hauerdurchschnittslohn liegt bei 11,70 Mark. Es werden arbeitstäglich rd.2.500 Tonnen Kohlen, im gesamten Jahr rd. 753.000 Tonnen Kohlen gefördert. Die Untertageleistung bleibt so hoch wie im Vorjahr. Es verunglücken 1947 sieben Bergleute tödlich.

Die Kokerei nimmt 1947 den Betrieb mit 60 Koksöfen wieder auf. Der Zechenkoks findet bei französischen und luxemburgischen Eisenhütten als Hochofenkoks reißenden Absatz.

In der Grube werden ab 1948 auch Doppelarmschrämmaschinen eingesetzt; in den Flözen Zollverein 7 und Wasserfall wird das Hobeln versucht. Einige Streben erhalten Bergeversatz über Gefäßblindschächte.

Obwohl die Kohlenvorräte der 800m-Sohle 1938 noch mit rd. 40 Millionen Tonnen beziffert werden, wird der Schacht 5 bereits ab Mai 1948 im Schutze einer Bergefeste zur 950m-Sohle weitergeteuft

Die Zeche vermittelt den günstigen Einkauf von Kartoffeln und behält dafür Raten vom Lohn ein. Möbel und Hausrat, der Kriegsgeschädigten leihweise beschafft wird, kann später von diesen preiswert erworben werden.

BILD Seite 113 Tagesförderung, Leistung, Gesamtbelegschaft

Aus Anlaß des 50jährigen Jubiläums des Teufbeginns Schacht 1 im Juni 1949 sind die noch lebenden Schachthauer Wilhelm Neitzert und Wilhelm Bültmann sowie Schmiedemeister Paul und Rechnungsführer Frentrop Ehrengäste der Zeche und erhalten ein Geldgeschenk. Für Invaliden werden insgesamt 25.000 Mark ausgesetzt. Mitarbeiter mit mehr als 40 Dienstjahren erhalten bis zu drei Tonnen Hausbrandkohlen jährlich kostenlos und ausscheidenden Mitarbeitern wird mit Erreichen von 65 Lebensjahren der volle Jahresurlaub gewährt.

Die Tagesfördermenge steigt 1948 von rd. 2.500 auf rd. 3.000 Tonnen Kohlen bei unverändert 1,33 Tonnen Kohlen Grubenleistung. Aus einem 260m langen Streb in Flöz Zollverein 4 werden bis zu 1.280 Tonnen Kohlen je Tag gefördert. Auf der Zeche laufen durchschnittlich acht Betriebe. Die Gesamtbelegschaft steigt auf rd. 4.300 Mann, der Hauerdurchschnittslohn erreicht rd. 12 Mark je Schicht.

Wirtschaftsingenieur der Zeche ist der Bergassessor a.D. Paul Zinselmeyer. Im Tagesbetrieb sind unter Betriebsführer Dilchert tätig die Fahrsteiger Budde, Rolf, der Elektroingenieur Güttler, die Maschinensteiger Ptak, Trübsand, Gottschlich, Vitz, die Elektrosteiger Leiß, Hallmann, Emminghaus, der Bauführer Wörmann, die Meister Adloff, Löwenstein, Bertelsbeck, Wenzke, Tottmann, Paul, Herrmann, Heidrich, Stübbe, Duwe, Gößling H., Gößling J., Steinmann, Marquet, Röser, Hohmann, Schweer, Knüfer, die Brückenaufseher Becker, Dertmann, Uhlenbrock, die Bautechniker Hammer, Kirschbaum, Mannheimer, der Wärmetechniker Aleff, Lampenmeister Marx und Lorenz, Forstaufseher Möller, Gartenmeister Böhmer, Werkschutzleiter Lechtenböhmer, Oberbrandmeister Wagner, Klöß, Rottenführer Schmidtmeier. Kokereibetriebsführer ist seit 1948 nach Alfred Kühn der 52jährige Wilhelm Weskamp, vorher auf den Kokereien der Zeche Hansa und König Ludwig 1/2 tätig. Kokereiaufsichtspersonen sind der Chemiker Dr. Haas, die Fahrsteiger Pecher, Kemming, die Assistenten Lueg, Wilms, Naumann, Oswald, Ahnen, Model, die Koksmeister Siepmann, Wagner, Fatum, der Ofenmeister Block, Schlossermeister Holzapfel, Gasmeister Meierkord und Löschmeister Lütgenhaus.

Im Juli 1949 kann Bergwerksdirektor Dr. Wiese nach dreijähriger Unterbrechung wieder die Zechenleitung übernehmen.

BILD 114 Bergwerksdirektor Rudolf Wawersik

Der Werksleiter Rudolf Wawersik wird Bergwerksdirektor in der Hauptverwaltung und baut die Abteilung Bergtechnik und Planung auf.

Die Gesamtbelegschaft der Zeche steigt bis 1949 auf 4.400 Mann, das ist der Stand, den sie während des Kriegsjahres 1943 einschließlich 1.600 Kriegsgefangener und Ostarbeiter hatte.

Die Leistung unter Tage liegt mit 1,44 Tonnen Kohlen je Mann und Schicht bei 80% von 1943 und um rd. 11% über dem Ruhrdurchschnitt. Mit 26 weiteren von insgesamt 141 Zechen des Ruhrgebietes fördert die Zeche 1949 wieder über eine Million Tonnen Kohlen.

Es verunglücken 1949 sieben Bergleute tödlich.

Fahrsteiger Schneider wird Oberführer der Grubenwehr nach Obersteiger In der Wiesche. Der auf vielen Gebieten bewährte Obersteiger Alt wird in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Es gibt betriebliches Weihnachtsgeld und Kindern gefallener, vermißter und
verunglückter Bergleute wird 1949 eine Weihnachtsfeier bereitet. Die Zeche verfügt über 530 etwa 30 bis 40 Jahre alte Häuser mit 2.150 Wohnungen.

Zur Mechanisierung der Gewinnung wird 1949 in einer Fachzeitschrift berichtet:

Zu besseren Erfolgen gelangten wir mit dem Einsatz von Schrämmaschinen mit Doppelauslegern in Verbindung mit dem Doppelkettenförderer in Flöz Johann. Flözmächtigkeit 1,3 m. Der Abbau in Flöz Johann ging jahrelang im Bruchbau nach dem üblichen Verfahren mit Schüttelrutschen bei 2 m breiten Feldern mit Stahlausbau und zweitägigem Verhieb um.

Wir rüsteten den 165 m langen Streb mit 1250 mm GHH-Kuppelkappen aus und stellten unter jede Kappe zwei Stempel, um die Stützwirkung der Baue gegen das Bruchfeld zu vergrößern. Der Abstand der Baue beträgt 80 cm, so daß sich eine Stempeldichte von O,6 qm/St. vor dem Schrämen und von O,8 qm/St. nach dem Schrämen ergibt. Zwischen Bruchfeld und Fördermittel werden zwei Felder offengehalten. Die Kohle wird 3 Stunden vor Beginn der Kohlenschicht durch eine 40 PS-Schrämmaschine mit zwei Auslegern unterschrämt. Anschließend wird das 1,25 m breite Feld in einer Schicht ausgekohlt, mit Kappen ausgebaut und zuletzt der Panzerförderer im ganzen gerückt. Die nachfolgende Raub- und Baukolonne verbindet die Arbeit des Stempelsetzens und Raubens in der Weise, daß der Innenstempel des Baues an der Bruchkante unter die neu vorgesteckte Kappe wandert. Auf diese Weise dürften niemals Stempel im Felde liegen bleiben. Das Verfahren führte zu einer sehr wesentlichen Leistungssteigerung, wie nachfolgende Zahlen zeigen:

Monat                Förd./Tg.    Leistung im Streb
(Gewinnung +Rauben +Umlegen)
Okt./Nov. 46            250 t        3,04 t/MS
März 1949            335 t        6,61 t/MS

Weiter heißt es:
Für den Erfolg der Mechanisierung ist die Mitarbeit eines jeden Bergmanns von großer Wichtigkeit. Aus diesem Grunde hat die Deutsche Kohlenbergbau  Leitung im Oktober 1948 ein Preisausschreiben für die Mechanisierung unter Tage herausgebracht, in dem für alle diejenigen voll- und teilmechanisierten Betriebe Preise ausgesetzt werden, die eine Leistungssteigerung von 35 - 40% gegenüber “den Leistungen in Betrieben mit gleichen geologischen Verhältnissen bei den bisher üblichen Verfahren erbracht haben."

An diesem Preisausschreiben haben sich auf Ewald Fortsetzung im Jahre 1949 die vier Abbaustöße beteiligt, die den Anfang mit der Teilmechanisierung auf unserer Zeche gemacht haben:

Streb- Revier 1    Flöz Gretchen-Anna
Streb- Revier 12    Flöz Johann Westen
Streb- Revier 10    Flöz Johann Osten
Streb- Revier 9    Flöz Wasserfall

Die Bedingungen lauteten so, daß bei Erreichung der vorgeschriebenen Leistungssteigerung jeder im Streb beschäftigte Mann bei voller Schichtenzahl 100,00 DM abzüglich 5 % Steuern erhalten sollte. Bei geringerer Schichtenzahl ändert sich dieser Betrag entsprechend dem Anteil der verfahrenen Schichten. Insgesamt sind an dem Preisausschreiben 466 Mann beteiligt gewesen und es kamen an die 32820,00 DM zur Auszahlung.

Revier 1    Flöz Gretchen-Anna 12000,00 DM
Revier 12        Flöz Johann    6000,00 DM
Revier 9          Flöz Wasserfall    7220,00 DM
Revier 10        Flöz Johann    7600,00 DM
    32820,00 DM

BILD 116 Doppelschrämmaschine in Flöz Johann

Mit diesen Preisen erhielt jeder Angehörige der Kameradschaft eine besondere Urkunde, die in erster Linie verantwortlichen Ortsältesten und Beamten eine von Künstlerhand geschaffene Plakette.

BILD 117 Plakette

Im Februar 1950 beginnt das Weiterteufen Schacht 1zur 950m-Sohle unter einer Bergefeste. Auf der Zeche laufen vier Betriebe in den Zollvereinflözen und je ein Streb in den Flözen Gretchen, Karl, Johann und Sonnenschein. Im Streb Johann wird eine Leistung von 6,6 Tonnen Kohlen je Mann und Schicht erzielt. Von der Förderung stammen 80% aus flachen Flözen und 46% aus mechanisierten Betrieben.

Die Jahresfördermenge erreicht nach Zuwächsen von 150.000 bis 200.000 Tonnen jährlich, wie sie auch in den Kriegsjahren 1939 bis 1941 erzielt werden, 1,24 Millionen Tonnen Kohlen im Jahre 1950. Die Schachtanlage liegt im Vergleich mit ihren alten Schwesterzechen vorn, obwohl bereits 1950 in sämtlichen Abbaubetrieben die Temperatur über 28° C und daher die Schichtzeit nur sieben Stunden beträgt. Es verunglücken zwei Bergleute und zwei Mitarbeiter im Tagesbetrieb tödlich.

Die Kokerei mit Nebengewinnung betreibt 120 Öfen und erzeugt u.a. um 550.000 Tonnen Koks, um 6.000 Tonnen Rohbenzol und um 22.000 Tonnen Rohteer jährlich. Die Stickstofferzeugung erreicht fast 20.000 Tonnen.

Die Zeche beschäftigt fast 5.500 Menschen, davon 3.500 in der Grube. Angestellt sind 325 Mitarbeiter. Die betrieblich lehrmäßige und schulische Ausbildung von Berglehrlingen und Neubergleuten in Lehrwerkstätten, Lehrrevieren, Lehr- und Anlernstreben sowie Kurse für Knappen und Meisterhauer obliegen Ausbildungsleiter In der Wiesche. Es wird ein Wohnheim für auswärtige und verwaiste Berglehrlinge gebaut. Die Gesundheits- und Sozialbetreuung der Bergleute und ihrer Familien wird ausgebaut. Werksarzt ist Dr. Brenneke und Fürsorgerin ist Frau Träger. Sie betreut Familien und hält Koch- und Nähkurse ab. Eine Werksbücherei erfreut sich lebhaften Zuspruchs. Es gibt ein Gesundheitshaus sowie auswärtige Kinderheime und Mütter und Kinder können an vier- bis sechswöchigen Kuraufenthalten in Heil- und Seebädern teilnehmen. Den Werksangehörigen werden preisgünstig Urlaubsaufenthalte in schönen Gegenden angeboten.

Im Jahre 1951 wird von dem ab 1948 weitergeteuften Schacht 5 die neue Sohle in 950m Teufe aufgefahren. In der Abteilung 5 Ost-Süd, 950m-Sohle, geht schon Abbau um. Bis zu 2.000 Tonnen Kohlen täglich können dort mit Gefäß zur 800m-Sohle gehoben werden. Der Schacht I erreicht im Februar die 950m-Sohle und anschließend wird der Hauptquerschlag nach Süden begonnen. Bestimmend für den Sohlenabstand von 150 m sei, wie Bergwerksdirektor Dr. Wiese erläutert, um bei 4.500 Tonnen Kohlen Fördermenge je Tag aus nutzbaren Feldesgrößen von 8,3 qkm mit rd. 26 Millionen Tonnen Kohlenvorrat von dieser Sohle wenigstens 20 Jahre lang fördern zu können. Auch stehe das Füllort bei nur 150m Teufensprung  standfester als bei 200 m in den milden Hangendschichten von Flöz Katharina. Vorteilhaft sei auch, die steilstehenden Flöze ohne Teilsohle durchbauen zu können und im Flachen ergäben sich von Sohle zu Sohle drei Streblängen von je 200m.

Dr. Wiese bezeichnet die Tagesfördermenge von 4.500 Tonnen Kohlen für die Zeche als kostenmäßig bestens; sie solle nicht überschritten werden. Den frühen Beginn der neuen Sohle rechtfertigt er mit seinen auf der Zeche König Ludwig in Suderwich 1935 bis 1941 gemachten Erfahrungen mit der Ausrichtung der dortigen 800m-Sohle; diese habe sehr übereilt fertiggestellt werden müssen, weil der Vorrat der oberen Sohle infolge unbekannter Störungen drei Jahre eher als erwartet zur Neige gegangen sei.

Die Querschläge verlaufen wie auf der 800m-Sohle, es sind allerdings weniger und sie haben größere Abstände. Die Blindschächte werden in einem Zuge von Sohle zu Sohle getauft. Holzgeviertausbau wird wegen geringerer Einbaukosten, besserer Ausnutzung der Schachtscheibe und leichterer Unterhaltung bevorzugt. Da Gesteinstemperaturen von 42° C erwartet werden, erhalten Richtstrecken 14 qm und Querschläge 12,5 qm lichten Querschnitt und werden starr ausgebaut. Abteilungen werden erst dann aufgeschlossen, wenn eine Abbauablösung es erfordert, um das Grubengebäude klein, die Streckenstandzeiten kurz und die Wetterführung einfach zu halten. Sofern im Flachen Abbaueinwirkungen zu erwarten sind, wird grundsätzlich mit 40m Abstand neben dem Querschlag aufgehauen. Zur Druckluftversorgung der Grube geht ein zusätzlicher Turbokompressor für 70.000 cbm angesaugter Luft stündlich mit 6 atü in Betrieb.

Nachfolger des in den Ruhestand verabschiedeten Grubenbetriebsführers Hermann Mette wird der von der Zeche Westfalen kommende 46jährige Ludwig Dinkloh. Der Oer-Erkenschwicker Bürgermeister Hauer Willi Winter wird Vorsitzender des Betriebsrates nach Max Tollkamp.

Es gibt 1951 fünf Unfalltote.

Im Jahre 1952 wird der 32jährige Dipl.-Ing. Waldemar Klemp erster Markscheider der Zeche. Er baut eine eigene Zechenmarkscheiderei auf. Vorher betreuten die Zeche ab 1935 der Markscheider Hugo Saul und seit 1942 der Markscheider Dipl.-Ing. Emil Klein von der Zeche König Ludwig.

BILD 118 Leistungsurkunde

BILD 119 Waldemar Klemp

Die als Obersteiger bzw. Fahrsteiger tätigen Theodor Buch und Clemens von Bronk werden als Arbeitsdirektoren Vorstandsmitglieder der Bergwerksgesellschaften Minister Achenbach in Brambauer bzw. der Bergbau Aktiengesellschaft Lothringen in Gerthe.

In der Grube sind 1952 fünf Menschenleben zu beklagen.

Das Oberbergamt verordnet 1953 Sicherheitsbeauftragte, die mindestens die Oberklasse einer Bergschule besucht und fünf Jahre lang ein Revier geführt haben müssen.

Die Grubenwehr unter Oberführer Schneider bekämpft einen Brand im Flöz Wilhelm, Abteilung 5 West-Süd und einen Bläserbrand in der Abteilung 4 Ost-Nord, 800m-Sohle. Die Hauptstreckenförderung soll auf elektrische Fahrdrahtlokomotiven umgestellt werden, deren Einsatzbereich in Schlagwettergruben wegen Funkenbildung eingeschränkt ist. Man sucht daher Lokomotiven unter doppeltem Fahrdraht mit Zu- und Ableitung des Stromes in der Firste, um die Gefahren zu mindern. Da die bergbehördlichen Auflagen unverändert streng bleiben, wird die Technik nicht eingeführt. Um die Bildung lungengefährdenden Staubs zu verhindern, überprüft man, ob statt des Bremssandes der Grubenlokomotiven Basaltsplit verwendet werden sollte. Es bleibt beim Sand. Zur Brand- und Staubbekämpfung sind weitestgehend Wasserleitungen verlegt, über Staubquellen sind Wasserdüsen. Die Kohlenstöße werden getränkt. Staubmasken sind verfügbar.

Es werden 1953 arbeitstäglich rd. 4.200 Tonnen Kohlen gefördert. Der Hauerlohn beträgt 16,35 Mark je Schicht. Zum ersten Mal seit Kriegsende hat die Zeche ein positives Ergebnis.

In der Grube sind sechs und im Tagesbetrieb zwei tödliche Unfälle zu beklagen.

Im Jahre 1954 stirbt der bereits 1928 als Obersteiger eingetretene Betriebsinspektor Fritz Lux, mit 64 Jahren noch im Dienst. Grubeninspektor wird der 33jährige Dipl.-Ing. Bernhard Jünemann, vorher Wirtschafts- und Mechanisierungsingenieur der Zeche. Kokereibetriebsführer wird Heinrich Schmitz nach Wilhelm Weskamp. Es verstirbt der langjährige und verdiente Leiter des Stickstoffwerks Dr. Wilhelm Riese.

Im ersten Halbjahr 1954 müssen wegen Schwierigkeiten in der eisenschaffenden Industrie Feierschichten eingelegt werden.

Wettersteiger werden mit Kohlenoxydspürgeräten und Kohlenoxydfiltern ausgerüstet; letztere müssen bald alle Bergleute mitführen. Die Grubengasgehaltmessung wird erheblich verfeinert und verdrängt das Ableuchten auf Schlagwetter mit Benzinlampen immer mehr.

Es verunglücken 1954 sieben Bergleute tödlich.

1954 werden arbeitstäglich rd. 4.170 Tonnen Kohlen gefördert. Die Kokerei betreibt 120 Öfen erzeugt jährlich mehr als 600.000 Tonnen Koks, 7.000 Tonnen Rohbenzol. 22.000 Tonnen Rohteer und gibt rd. 170 Millionen Ncbm Gas ins Netz. Das Stickstoffwerk erzeugt rd. 30.000 Tonnen Stickstoff in synthetischem Ammoniak.

Die Kraftwirtschaft nimmt zwei Hochdruck-Schmelztiegelkessel und einen 15-MW-Turbogenerator in Betrieb. Es werden 130 Millionen MWh Strom erzeugt und rd. 50 Millionen MWh ins Netz gegeben.

Bis Ende 1954 ergänzt die von der Gesellschaft gemeinsam mit der Stadt Herten 1949 gegründete Vestisch-Märkische Wohnungsbaugesellschaft die 2.160 Wohnungen in den 530 etwa 30 bis 40 Jahre alten werkseigenen Häusern um 165 Eigenheime mit 330 Wohnungen und 61 Mietshäusern mit 312 Wohnungen meist südlich der Schillerstraße bis zur Beethoven- und Richard-Wagner-Straße.

Seit Mitte 1955 kommt bereits die halbe Kohlenfördermenge aus gelöstem Unterwerksbau von der 950-mSohle. Im Herbst liefern sechs Reviere des Baufeldes 1/3 rd. 3.150 Tonnen Kohlen, davon 900 Tonnen Kohlen aus dem Flöz Gretchen-Anna, 950m-Sohle, Haupt-Süden, die im Schacht I gehoben werden; vier Reviere des Baufeldes 4/5 liefern rd. 1.600 Tonnen Kohlen, davon 500 Tonnen Kohlen aus Flöz Wilhelm und 600 Tonnen Kohlen aus Flöz Wasserfall, 950m-Sohle, Abteilungen 5 und 6 Ost-Süd. Steile Handbetriebe mit Holzausbau tragen mit 800 Tonnen Kohlen zur Tagesfördermenge bei. Es ereignen sich 1955 sechs tödliche Unfälle. Aus Flöz Wilhelm, Abteilung 5 Ost-Süd, wird Brand gemeldet.

Oberbergrat Golzen ist Bergamtsleiter mit den Bergassessoren Schlüter und Dorsemagen als Mitarbeiter.

Der Landabsatz der Zeche wird von der Wittlohstraße an die Ewaldstraße verlegt und sein Verladevermögen von 200 auf 1000 Tonnen Kohlen und Koks gesteigert.

Die Zeche fördert 1956 nur knapp 8% mehr Kohlen als 1950 bei gleicher Grubenbelegschaft von rd. 3.400 Mann und etwa 300 Arbeitstagen je Jahr. Mehr als die Hälfte der Bergleute ist zwischen 20 und 40 Jahre alt. Der Grubeninspektor Dipl.-Ing. Jünemann wird Betriebsinspektor. Die Zeche liegt mit 58 % Mechanisierung im Abbau und etwa 1,5 Tonnen Kohlen je Mann und Schicht Grubenleistung im Durchschnitt von Ewald-König-Ludwig.

BILD 120 Kraftwerk Ewald Fortsetzung

Erfreulicherweise ereignet sich 1956 kein tödlicher Unfall. Die Grubenwehr bekämpft Brände im Flöz Robert, auf der 800m-Sohle, Abteilung 4 Ost-Nord und im Flöz Zollverein auf der 700m-Sohle, Abteilung 3 West-Nord. Der Schacht 2 wird von der 950m-Sohle bis 9m unter den Sumpf der 800m-Sohle aufgebrochen.

1957 wird auf der Zeche die in flözleere Schichten zwischen den Flözen  Victoria und Katharina verlegte Richtstrecke 950m-Sohle nach Osten und Westen, welche steile und flachen Flößlagerung förder- und wettermäßig klar voneinander trennt, nach Osten durchschlägig ebenso die Richtstrecke auf der 800m-Sohle. Der Schacht 3 wird zur 800m-Sohle weitergeteuft.

Es läuft ein Streb Gretchen-Anna im Haupt-Süden unter der 950m-Sollle mit Anbauhobel, Lamellenstempeln, Kuppelkappen und Blasversatz an. In der Kopfstrecke soll das Grubengas aus dem Gebirge gesaugt werden. Der Schacht 2 wird von der Bergefeste aus zur 950m-Sohle erweitert. Es sind 1957 acht tödliche Unfälle zu beklagen, davon drei Wegeunfälle. Die Grubenwehr bekämpft einen Brand im Querschlag 5 Ost-Süd und im Flöz  Zollverein 1,3 West- Nord, 700m-Sohle.

Die Tagesfördermenge fällt auf 4.184 Tonnen Kohlen; die Leistung beträgt 1.591 Tonnen Kohlen je Mann und Schicht.

Die Vestisch-Märkische Wohnungsbaugesellschaft errichtet innerhalb von drei Jahren weitere 41 Häuser mit 72 Wohnungen für Bergleute.

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